Liebe Alle,
es ist über einen Monat her, dass wir mit einem Auto voller Isomatten, Schuhen, Medikamenten und 4000 € Spendengeldern aufbrachen Richtung Süden, zur Griechisch-Mazedonischen Grenze nach Idomeni. Dass wir erst jetzt von uns hören lassen, hat zwei Gründe. Zum einen ging für uns alle unmittelbar nach unserer Rückkehr der Unialltag wieder voll los. Zum anderen aber ist es nicht leicht, all die Erfahrungen unserer Reise direkt zu Papier zu bringen. Wir haben sicherlich eine verhältnismäßig ruhige Zeit in Idomeni erwischt: Der große Regen war vorüber, das Lager war kein riesiges Schlammloch mehr, wie man es in den Wochen vor unsere Abreise in den Medien gesehen hatte. Von der Auseinandersetzung mit der Mazedonischen Grenzpolizei, bei der jede Menge Tränengas zum Einsatz kam, erfuhren wir erst auf der Heimreise. Aber Dennoch: Viele Eindrücke haben wir gesammelt, viele Fragen bewegen uns weiterhin, viele Begegnungen wirken nach. Es ist nicht leicht, all diese Eindrücke nach Wichtigkeit zu sortieren und in einen möglichst lesbaren Text zu verwandeln.
Wir waren zu dritt unterwegs, Luca Schubert, 24 Jahre alt, Student in Philosophie, Politik und Ökonomie; Luka Häfele, 27 Jahre alt Medizinstudent und Dorothée, 23 Jahre alt, Studentin in Philosophie, Kulturreflexion und kultureller Praxis. Die Reise haben wir nicht lange im Voraus geplant sondern sind relativ spontan „einfach drauf los“ gefahren. Hauptsächlich über das Internet hatten wir uns über die Möglichkeiten der Mithilfe vor Ort informiert. Aber je mehr Menschen aus unserem Umfeld von den Reiseplänen hörten, desto größer wurde die Aktion. Jeder war begeistert, wollte uns mit Rat und Tat zur Seite stehen, brachte uns Sach- oder Geldspenden oder bat uns, Freunden und Bekannten von unseren Plänen erzählen zu dürfen, damit diese uns unterstützen könnten. Selten hatte wir es erlebt, dass bei so einem kleinen Aufruf so unglaublich viel Rückmeldung kam. Wie wir waren es zu viele Menschen leid, jeden Tag die Bilder in den Medien zu sehen ohne etwas tun zu können. Die Tage vor der Abreise war das gesamte Wohnzimmer der Hammerstraßen-WG komplett zugestellt mit Kisten voller Schuhen, Kleidern, Decken, Medikamenten, Verbandsmaterialien, Schlafsäcken, Zelten und Isomatten; Dazu hatten wir 4000 € Spendengelder um sie vor Ort zu investieren, einen geliehenen LT 24 Bus, der uns nach Griechenland bringen sollte und jede Menge helfende Hände, die uns beim Einsammeln, Sortieren, Verladen und Packen unterstützten.
Als wir nach den ersten 100 Kilometern von Witten aus nach Süden feststellten, dass wir mit dem LT 24 wohl eine ganze Woche bis nach Griechenland brauchen würden, kam uns die große Gemeinschaft von Freunden und Bekannten noch einmal zur Hilfe. Innerhalb kürzester Zeit schafften wir es, einen anderen Bus zu organisieren und konnten nach einem kurzen Zwischenstopp und einer Umladeaktion in Franken unsere Fahrt mit nunmehr 110 km/h statt wie zuvor 70 km/h fortsetzten. Von Franken ging es nach Triest, von dort mit der Fähre nach Igoumeniza und dann noch einmal ca. 400 km durch den bergigen Norden Griechenlands bis an die Mazedonische Grenze. Nach drei Tagen Auto- und Fährfahrt erreichten wir Polikastro, den letzten größeren Ort vor der Grenze und dem Knotenpunkt der Freiwilligen Helfer, luden unsere mitgebrachten Sachspenden an einem zentralen Lagerhaus aus und machten uns auf zum Hauptlager Idomeni, direkt an der Griechisch-Mazedonischen Grenzübergang für Züge.
Wie beschreibt man diesen Ort am passendsten? Wir haben mittlerweile einige Berichte von Journalisten und freiwilligen Helfern gelesen, die von ihren persönlichen Eindrücken erzählen. In keinem von ihnen haben wir das Idomeni wieder gefunden, das wir kennen gelernt haben.
Schon auf der Strecke dorthin waren wir an zwei kleineren Lagern vorbei gefahren, die entlang der Schnellstraße an Tankstellen entstanden sind. Die Lager in Griechenland sind völlig spontan und unkoordiniert entstanden. Die Leute waren, wie so viele vor ihnen, von den griechischen Inseln aus weiter auf dem Weg nach Norden gewandert. Als Mazedonien quasi über Nacht seine Grenze für Flüchtlinge schloss, schlugen sie ihr Lager auf wo sie gerade waren, immer in der Hoffnung, am nächsten Tag weiter ziehen zu können. Aber die Grenzen blieben zu, dafür kamen Tag für Tag mehr Menschen an. So entstanden innerhalb weniger Tage riesige Zeltstädte. Die größte von ihnen ist Idomeni mit ca. 15.000 Menschen, drei weitere kleinere Lager entlang der Schnellstraße zur Grenze haben jeweils 500-3000 Bewohner und auch im Hafen von Piräus sind mehrere Tausend Menschen gestrandet.
Die Infrastruktur und der Aufbau der Lager sind entsprechend ihrem spontanen Entstehen schlecht und unkoordiniert. Die Zelte stehen auf Feldern, asphaltierten Wegen oder im Schotter der Bahngleise, oft direkt neben den Dixi-Toiletten, die den entsprechenden Geruch verbreiten. Sie stehen dicht an dicht, manche in kleinen Gruppen, dazwischen immer wieder von Hand gebuddelte Wassergräben, die während dem großen Regen für etwas Abfluss sorgen sollten, bei unserer Ankunft aber bereits ausgetrocknet sind. Manche Menschen wohnen in riesigen UNHCR Zelten, in denen ein Feldbett neben dem anderen steht, ohne Trennwände oder Vorhänge. Auch ein paar alte Güter- und Personenzugabteile, die noch auf den Gleisen stehen, sind bewohnt. Die meisten Familien haben ihr eigenes kleines Feuer vor den Zelten. In den noch kalten Nächten ist das nötig, außerdem nutzen es viele zum Kochen. Aber die Folge von tausenden kleinen Feuern ist eine dichte Rauchwolke, die wie eine Glocke über dem Lager hängt. Uns brennt es in Augen und Lunge – die Menschen, die Tag und Nacht hier sind haben einen tiefen, üblen Husten, als wären sie alle Kettenraucher.
Wenn man bei Sonnenschein durch das Camp läuft, wird man die Assoziation mit einem Festivalgelände nicht los. Es wird gekocht, gewaschen, überall Menschen die freundlich grüßen und Kinder, immer wieder Kinder: „Hello, my friend! Hello my friend!“ rufen sie aus allen Richtungen und kommen munter angesprungen. Am Eingang zum Camp hat sich ein Minibasar etabliert: Auf Kisten verkaufen Menschen Obst und Eier, Zigaretten und Shampoos. Gegenüber am Generator sind Friseursalons entstanden: Ein Stuhl, eine Steckdose, ein Rasierer – mehr braucht es dafür nicht. Überhaupt sind Steckdosen einer der Knotenpunkte im Lager. Hier sitzen die Menschen zusammen und warten, bis ihr Handy wieder aufgeladen ist, sie hören Musik, plaudern, manchmal wird sogar getanzt. Wenn man nicht gerade direkt am Grenzzaun steht kann man den Blick über grüne Felder, kleine Dörfer und die majestätischen, noch schneebedeckten Berge schweifen lassen. Manchmal scheint die Situation dann nicht so schlecht, wie man sie erwartet hätte.
Aber dann sieht man die Großmutter im Rollstuhl, die von einem Enkel über den Schotter zu den Dixiklos geschoben wird. Man hört das Schreien eines Säuglings früh am Morgen aus einem Zelt. Man sieht die langen Schlangen, an denen die Menschen mehrere Stunde stehen um sich eine Portion Spagetti mit einem Minikleks Tomatensoße abzuholen. Die Kinder, die einem für ihr Alter ungewöhnlich dünn vorkommen und auf deren Wangen sich die verbrannte Haut schält. Man spürt die Sonne, die schon im April erbarmungslos auf das Lager niederbrennt, in dem es so gut wie keinen Schattenplätze gibt und man weiß, dass es noch nicht lange her ist, dass alle Zelte mit Wasser vollgelaufen waren. Und man spürt die Frustration und Hoffnungslosigkeit der Menschen, alleingelassen, ohne die Möglichkeit die eigene Situation verbessern zu können.
Rund um das Lager hat sich eine regelrechte Parallelkultur von meist jungen Menschen entwickelt, die wie wir die Situation nicht länger aus der Ferne beobachten wollten und in großen oder kleinen Gruppen, mit oder ohne konkretes Projekt, mit Ressourcen und Material oder auf eigene Faust losgefahren sind. Von Europa bis Australien sind fast alle Nationalitäten vertreten. Treffpunkt dieser Menschen ist ein Hotel in dem nächstgrößeren Städtchen Polikastro, ca. 10 km vom Grenzlager Idomeni entfernt. Auch wir schlagen auf dem Parkplatz des Hotels unser Lager auf. Im Garten des Hotels steht ein großes Zelt mit drei Feuerstellen für riesige Kochtöpfe. Morgens um acht geht dort das Schälen und Schnibbeln für die alltägliche Suppe los, die dann im Lager verteilt wird. Gegenüber des Hotels ist ein Lagerhaus entstanden, in dem bis unter die Decke Schlafsäcke, Isomatten, Zelte, Kleidung und Schuhe lagern, die nach Bedarf von Freiwilligen abgeholt und im Lager verteilt werden.
Luka, unser Pfleger und werdender Arzt, kann sich schnell einem kleinen privaten Ärzteteam anschließen, mit dem er die nächsten Tage von einer Ambulanz aus die Menschen so gut es eben geht ärztlich versorgt. Meist ist er dafür in einem der kleinen Lager entlang der Schnellstraße, in dem es erst seit kurzem überhaupt eine feste Sprechstunde von Ärzten ohne Grenze gibt, die aber nur wenige Stunden am Tag besetzt ist. Er berichtet von Insulinmangel im ganzen Lager, von mangelernährten Kleinkindern, von entzündeten Brandwunden, Krätze, Posttraumatischen Belastungsstörungen und mehreren Tuberkulosefällen. Und natürlich von jungen Männern wie es sie in Deutschland gibt, die darauf bestehen ihre vergleichsweise harmlose Erkältung mit Antibiotika behandeln zu lassen.
Als Geistes- und Gesellschaftswissenschaftsstudenten fehlen Luca und Doro praktische Fähigkeiten, die so dringend benötigst werden wie medizinisches Fachwissen. Dennoch kommen auch wir schnell unter und verbringen unsere Tage mit Gemüse schnibbeln, Essenspakete packen und verteilen, Tee kochen und mit Kinder spielen. Am wertvollsten werden für uns aber bald die Stunden, in denen wir uns alleine durchs Lager treiben lassen, hier und dort mit Menschen ins Gespräch kommen, uns von ihrem Leben Zuhause, von der Flucht und vom Alltag hier im Camp erzählen lassen.
Die Menschen im Camp sind so verschieden wie Menschen nur sein können. Jung und Alt, Gesund und Krank, alleine oder in Großfamilien. Dazwischen überall Kinder, jede Menge Kinder. Auch alle gesellschaftlichen Schichten sind vertreten. Wir treffen eine schwangere Frau, eine Englischlehrerin aus Mosul, die mit Mann und Tochter unterwegs ist. Einen kleinen Jungen mit vom Krieg entstelltem Gesicht. Eine Gruppe junger Männer Anfang zwanzig. Sie studierten Tourismus, Kunst und Wirtschaft bevor sie sich gemeinsam auf den Weg machten. Einer von ihnen saß vier Jahre im Assad-Gefängnis, weil er für Freiheit protestierte. Ein Mann spricht uns in fließendem Deutsch an. Bis 2005 war er elf Jahre in Dresden und hat dort studiert, Chemie. Er hatte eine Aufenthaltsgenehmigung aber er wollte zurück in seine Heimat. Nun wohnt er mit seiner Frau und seinen zweijährigen Zwillingstöchtern zusammen mit der Familie der Englischlehrerin in einem leeren Containerabteil eines Zuges.
Zweimal besuchen wir zwei Schwestern Anfang 40, beide von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet. Eine von ihnen hat drei Kinder dabei, einen Sohn und zwei Töchter. Außerdem, erzählt uns die älter Tochter in gebrochenem Englisch, haben sie ihre Katze den ganzen Weg aus Syrien mitgebracht, sogar übers Meer. Es wird Kaffee aufgesetzt. Wir fragen nach ihrem Vater. Tot, im Krieg, erklärt sie. Wir getrauen uns nicht nach der Familie ihrer Tante zu fragen, von der mit keinem Wort die Rede ist. Aber wir sind tief berührt von der Offenheit der vier Frauen uns gegenüber und von dem zarten, unendlich achtsamen Umgang untereinander. Als seien sie alle, was sie noch haben, und sind sich dessen sehr bewusst.
Oft zeigen uns die Menschen Bilder auf dem Handy von vergangenen Tagen. Vor der Universität, ein Gruppenbild mit Freunden, ein Familienfest, ein mit arabischen Köstlichkeiten gedeckter Tisch. Schau, dass ist der Mensch, der ich eigentlich bin. Der ich jetzt noch wäre, wenn nicht der Krieg gekommen wäre, wenn wir uns nicht auf den Weg gemacht hätten, wenn wir jetzt nicht hier sitzen würden mit nichts als unseren Kleidern am Leib.
Sie alle können einem auf den Tag genau sagen, wie lange sie schon hier sind. Sie alle fragen in einer Mischung aus Hoffnung und Angst in der Stimme uns, die Deutschen, die es ja wissen müssen: „Glaubst du die Grenze geht wieder auf?“ Jeden Tag gehen neue Gerüchte durchs Lager über die Grenzöffnung, die kurz bevor steht, über einen Zug, den Merkel morgen schickt um alle abzuholen, vom Flugzeug, dass jeden Tag 200 Menschen nach Deutschland bringen würde. Natürlich sind wir der Meinung, dass wir die Wahrheit sagen müssen. Es ist ein einfacher Satz: „Nein, ich glaube nicht, dass die Grenze wieder auf geht.“ Aber selten ist es uns so schwer gefallen, so wenig wahre Worte auszusprechen. Eines ums andere Mal zögern wir, drucksen herum, weichen den Blicken aus. „Naja, ich weiß es nicht, ich weiß nicht was passiert. Aber, wenn ich ehrlich bin, nun ich denke nicht. Nein, ich denke sie wird nicht wieder aufgehen.“ Es ist als überbrächte man Nachrichten von einem verschwundenen Verwandten. Noch hoffen sie auf ein gutes Ende, auch wenn die Zeichen dagegen sprechen. Angst und Hoffnung kämpfen in ihren Augen. Sie erwarten die Erlösung von unseren Worten aber die Erlösung kommt nicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man, und man möchte hinzufügen: Sie stirbt verdammt langsam, aber sie stirbt.
Wenn wir im Vor- und Nachhinein über unsere Reise sprachen, dann kam es vor, dass Menschen sich bei uns bedankten, dafür, dass wir hin gefahren sind. Uns hat das zunächst verwundert und zum Nachdenken gebracht. Wir haben diese Reise nicht nur für diese Menschen getan. Aber für wen haben wir sie getan? Und wofür genau bedanken sie sich bei uns?
Wir wollten zunächst einmal verstehen. Wir wollten verstehen was es heißt angespült zu sein, an eine Grenze. Was es heißt, dass mitten in Europa tausende Menschen auf dem nackten Boden schlafen. Bei Regen im Schlamm versinken und bei Sonne unter einer blauen Plastikplane Abkühlung suchen. Keine ausreichenden Medikamente, stundenlanges Warten vor Essensausgaben, überhaupt keine Privatsphäre, keine Perspektiven. Wir wollten diese Existentialität begreifen, vor der wir unser Leben lang behütet waren.
Man mag sich darüber streiten können, aber für uns entspringt diesem Verschondsein durchaus eine gewisse Pflicht gegenüber der Welt. Wie gehen wir mit dieser um? Welche Konsequenzen ziehen wir daraus für unser Leben? Was ist ein passendes Maß?
Sicherlich nicht dasjenige, bei dem man seine Privilegien komplett aufgibt, seinen Ausweis verbrennt und sein Zelt neben das der Menschen in Idomeni stellt. Wahrscheinlich auch nicht indem man zwei Wochen seiner freien Zeit dort verbringt und versucht, den Menschen für kurze Zeit ein klein wenig helfen zu können. Vielleicht gibt es auch kein passendes Maß.
Aber was uns dennoch geradezu nach Idomeni zog war ein Bedürfnis nach Augenzeugenschaft. Gewiss, Augenzeugenschaft ist schwer vom Voyeurismus zu unterscheiden. Und der Vorwurf liegt nahe: Damit ist niemandem geholfen. Aber aus der Anteilnahme, dem Vertrauen und der Unterstützung, die uns fremde Menschen im Vorfeld unserer Reise entgegen gebracht haben, schließen wir, dass es außer uns selbst doch all denen geholfen hat, die von hier aus in Gedanken mit uns gereist sind. Es hilft, eine persönliche Verbindung aufbauen zu können zu den Geschehnissen vor Ort, Anteil zu nehmen, tätig werden zu können, etwas beizutragen. Es hilft gegen die Abstumpfung ob der Aussichtslosigkeit die unweigerlich aufkommt beim betrachten der Bilder, die uns Tag für Tag über die Medien erreichen.
Die große Unterstützung, die wir erfahren haben, spricht für das Bedürfnis unglaublich vieler Menschen, diese Dinge näher an sich heran zu holen, als es sein müsste. Verstehen zu wollen, obwohl man auch weg schauen könnte. Anteil zu nehmen, obwohl man sagen könnte: Was ist das mein Problem? Und wir glauben, dass es einen Unterschied macht, wie viele Menschen hinsehen und verstehen wollen, wie viele einen persönlichen Bezug aufbauen und die Medienberichte so mit anderen Augen sehen können. Es macht einen Unterschied für uns hier in Deutschland, wie wir einander begegnen und den Menschen, die neu hier her gekommen sind, wie wir uns verhalten gegenüber rechtspopulistischen Ansichten in der Gesellschaft und vielleicht sogar in unserem Bekanntenkreis. Und nicht zuletzt macht es auch einen Unterschied für die Menschen in den Lagern in Idomeni die wissen: Wenn auch die Politik sich taub stellt, es gibt doch Menschen die sich interessieren.
Es hat uns sehr berührt, eine Brücke für diese Annäherung zwischen den Menschen in Idomeni und all den Menschen hier in Deutschland sein zu dürfen, die uns auf so vielfältige Weise unterstützten und uns ein solches Vertrauen entgegen brachten. Wir geben das Danke also von Herzen zurück.
Die Sachspenden haben wir wie berichtet in einer Zentralen Sammelstelle abgegeben, wo sie dankbar begrüßt wurden. Von hier aus holen Freiwillige täglich die Dinge ab, die akut im Lager gebraucht werden und sorgen so für eine effektive Verteilung. Die Geldspenden haben wir zum Teil einer Gruppe gegeben, die jeden Tag mehrere Tausend Orangen an die Kinder im Lager verteilt und somit einen Beitrag leistet gegen die Mangelernährung. Von dem anderen Teil wurde in großem Maßstab Sonnenmilch eingekauft, damit die Menschen weniger der Unbarmherzigkeit des Wetters ausgeliefert sind.
Luca, Doro und Luka
es ist über einen Monat her, dass wir mit einem Auto voller Isomatten, Schuhen, Medikamenten und 4000 € Spendengeldern aufbrachen Richtung Süden, zur Griechisch-Mazedonischen Grenze nach Idomeni. Dass wir erst jetzt von uns hören lassen, hat zwei Gründe. Zum einen ging für uns alle unmittelbar nach unserer Rückkehr der Unialltag wieder voll los. Zum anderen aber ist es nicht leicht, all die Erfahrungen unserer Reise direkt zu Papier zu bringen. Wir haben sicherlich eine verhältnismäßig ruhige Zeit in Idomeni erwischt: Der große Regen war vorüber, das Lager war kein riesiges Schlammloch mehr, wie man es in den Wochen vor unsere Abreise in den Medien gesehen hatte. Von der Auseinandersetzung mit der Mazedonischen Grenzpolizei, bei der jede Menge Tränengas zum Einsatz kam, erfuhren wir erst auf der Heimreise. Aber Dennoch: Viele Eindrücke haben wir gesammelt, viele Fragen bewegen uns weiterhin, viele Begegnungen wirken nach. Es ist nicht leicht, all diese Eindrücke nach Wichtigkeit zu sortieren und in einen möglichst lesbaren Text zu verwandeln.
Wir waren zu dritt unterwegs, Luca Schubert, 24 Jahre alt, Student in Philosophie, Politik und Ökonomie; Luka Häfele, 27 Jahre alt Medizinstudent und Dorothée, 23 Jahre alt, Studentin in Philosophie, Kulturreflexion und kultureller Praxis. Die Reise haben wir nicht lange im Voraus geplant sondern sind relativ spontan „einfach drauf los“ gefahren. Hauptsächlich über das Internet hatten wir uns über die Möglichkeiten der Mithilfe vor Ort informiert. Aber je mehr Menschen aus unserem Umfeld von den Reiseplänen hörten, desto größer wurde die Aktion. Jeder war begeistert, wollte uns mit Rat und Tat zur Seite stehen, brachte uns Sach- oder Geldspenden oder bat uns, Freunden und Bekannten von unseren Plänen erzählen zu dürfen, damit diese uns unterstützen könnten. Selten hatte wir es erlebt, dass bei so einem kleinen Aufruf so unglaublich viel Rückmeldung kam. Wie wir waren es zu viele Menschen leid, jeden Tag die Bilder in den Medien zu sehen ohne etwas tun zu können. Die Tage vor der Abreise war das gesamte Wohnzimmer der Hammerstraßen-WG komplett zugestellt mit Kisten voller Schuhen, Kleidern, Decken, Medikamenten, Verbandsmaterialien, Schlafsäcken, Zelten und Isomatten; Dazu hatten wir 4000 € Spendengelder um sie vor Ort zu investieren, einen geliehenen LT 24 Bus, der uns nach Griechenland bringen sollte und jede Menge helfende Hände, die uns beim Einsammeln, Sortieren, Verladen und Packen unterstützten.
Als wir nach den ersten 100 Kilometern von Witten aus nach Süden feststellten, dass wir mit dem LT 24 wohl eine ganze Woche bis nach Griechenland brauchen würden, kam uns die große Gemeinschaft von Freunden und Bekannten noch einmal zur Hilfe. Innerhalb kürzester Zeit schafften wir es, einen anderen Bus zu organisieren und konnten nach einem kurzen Zwischenstopp und einer Umladeaktion in Franken unsere Fahrt mit nunmehr 110 km/h statt wie zuvor 70 km/h fortsetzten. Von Franken ging es nach Triest, von dort mit der Fähre nach Igoumeniza und dann noch einmal ca. 400 km durch den bergigen Norden Griechenlands bis an die Mazedonische Grenze. Nach drei Tagen Auto- und Fährfahrt erreichten wir Polikastro, den letzten größeren Ort vor der Grenze und dem Knotenpunkt der Freiwilligen Helfer, luden unsere mitgebrachten Sachspenden an einem zentralen Lagerhaus aus und machten uns auf zum Hauptlager Idomeni, direkt an der Griechisch-Mazedonischen Grenzübergang für Züge.
Wie beschreibt man diesen Ort am passendsten? Wir haben mittlerweile einige Berichte von Journalisten und freiwilligen Helfern gelesen, die von ihren persönlichen Eindrücken erzählen. In keinem von ihnen haben wir das Idomeni wieder gefunden, das wir kennen gelernt haben.
Schon auf der Strecke dorthin waren wir an zwei kleineren Lagern vorbei gefahren, die entlang der Schnellstraße an Tankstellen entstanden sind. Die Lager in Griechenland sind völlig spontan und unkoordiniert entstanden. Die Leute waren, wie so viele vor ihnen, von den griechischen Inseln aus weiter auf dem Weg nach Norden gewandert. Als Mazedonien quasi über Nacht seine Grenze für Flüchtlinge schloss, schlugen sie ihr Lager auf wo sie gerade waren, immer in der Hoffnung, am nächsten Tag weiter ziehen zu können. Aber die Grenzen blieben zu, dafür kamen Tag für Tag mehr Menschen an. So entstanden innerhalb weniger Tage riesige Zeltstädte. Die größte von ihnen ist Idomeni mit ca. 15.000 Menschen, drei weitere kleinere Lager entlang der Schnellstraße zur Grenze haben jeweils 500-3000 Bewohner und auch im Hafen von Piräus sind mehrere Tausend Menschen gestrandet.
Die Infrastruktur und der Aufbau der Lager sind entsprechend ihrem spontanen Entstehen schlecht und unkoordiniert. Die Zelte stehen auf Feldern, asphaltierten Wegen oder im Schotter der Bahngleise, oft direkt neben den Dixi-Toiletten, die den entsprechenden Geruch verbreiten. Sie stehen dicht an dicht, manche in kleinen Gruppen, dazwischen immer wieder von Hand gebuddelte Wassergräben, die während dem großen Regen für etwas Abfluss sorgen sollten, bei unserer Ankunft aber bereits ausgetrocknet sind. Manche Menschen wohnen in riesigen UNHCR Zelten, in denen ein Feldbett neben dem anderen steht, ohne Trennwände oder Vorhänge. Auch ein paar alte Güter- und Personenzugabteile, die noch auf den Gleisen stehen, sind bewohnt. Die meisten Familien haben ihr eigenes kleines Feuer vor den Zelten. In den noch kalten Nächten ist das nötig, außerdem nutzen es viele zum Kochen. Aber die Folge von tausenden kleinen Feuern ist eine dichte Rauchwolke, die wie eine Glocke über dem Lager hängt. Uns brennt es in Augen und Lunge – die Menschen, die Tag und Nacht hier sind haben einen tiefen, üblen Husten, als wären sie alle Kettenraucher.
Wenn man bei Sonnenschein durch das Camp läuft, wird man die Assoziation mit einem Festivalgelände nicht los. Es wird gekocht, gewaschen, überall Menschen die freundlich grüßen und Kinder, immer wieder Kinder: „Hello, my friend! Hello my friend!“ rufen sie aus allen Richtungen und kommen munter angesprungen. Am Eingang zum Camp hat sich ein Minibasar etabliert: Auf Kisten verkaufen Menschen Obst und Eier, Zigaretten und Shampoos. Gegenüber am Generator sind Friseursalons entstanden: Ein Stuhl, eine Steckdose, ein Rasierer – mehr braucht es dafür nicht. Überhaupt sind Steckdosen einer der Knotenpunkte im Lager. Hier sitzen die Menschen zusammen und warten, bis ihr Handy wieder aufgeladen ist, sie hören Musik, plaudern, manchmal wird sogar getanzt. Wenn man nicht gerade direkt am Grenzzaun steht kann man den Blick über grüne Felder, kleine Dörfer und die majestätischen, noch schneebedeckten Berge schweifen lassen. Manchmal scheint die Situation dann nicht so schlecht, wie man sie erwartet hätte.
Aber dann sieht man die Großmutter im Rollstuhl, die von einem Enkel über den Schotter zu den Dixiklos geschoben wird. Man hört das Schreien eines Säuglings früh am Morgen aus einem Zelt. Man sieht die langen Schlangen, an denen die Menschen mehrere Stunde stehen um sich eine Portion Spagetti mit einem Minikleks Tomatensoße abzuholen. Die Kinder, die einem für ihr Alter ungewöhnlich dünn vorkommen und auf deren Wangen sich die verbrannte Haut schält. Man spürt die Sonne, die schon im April erbarmungslos auf das Lager niederbrennt, in dem es so gut wie keinen Schattenplätze gibt und man weiß, dass es noch nicht lange her ist, dass alle Zelte mit Wasser vollgelaufen waren. Und man spürt die Frustration und Hoffnungslosigkeit der Menschen, alleingelassen, ohne die Möglichkeit die eigene Situation verbessern zu können.
Rund um das Lager hat sich eine regelrechte Parallelkultur von meist jungen Menschen entwickelt, die wie wir die Situation nicht länger aus der Ferne beobachten wollten und in großen oder kleinen Gruppen, mit oder ohne konkretes Projekt, mit Ressourcen und Material oder auf eigene Faust losgefahren sind. Von Europa bis Australien sind fast alle Nationalitäten vertreten. Treffpunkt dieser Menschen ist ein Hotel in dem nächstgrößeren Städtchen Polikastro, ca. 10 km vom Grenzlager Idomeni entfernt. Auch wir schlagen auf dem Parkplatz des Hotels unser Lager auf. Im Garten des Hotels steht ein großes Zelt mit drei Feuerstellen für riesige Kochtöpfe. Morgens um acht geht dort das Schälen und Schnibbeln für die alltägliche Suppe los, die dann im Lager verteilt wird. Gegenüber des Hotels ist ein Lagerhaus entstanden, in dem bis unter die Decke Schlafsäcke, Isomatten, Zelte, Kleidung und Schuhe lagern, die nach Bedarf von Freiwilligen abgeholt und im Lager verteilt werden.
Luka, unser Pfleger und werdender Arzt, kann sich schnell einem kleinen privaten Ärzteteam anschließen, mit dem er die nächsten Tage von einer Ambulanz aus die Menschen so gut es eben geht ärztlich versorgt. Meist ist er dafür in einem der kleinen Lager entlang der Schnellstraße, in dem es erst seit kurzem überhaupt eine feste Sprechstunde von Ärzten ohne Grenze gibt, die aber nur wenige Stunden am Tag besetzt ist. Er berichtet von Insulinmangel im ganzen Lager, von mangelernährten Kleinkindern, von entzündeten Brandwunden, Krätze, Posttraumatischen Belastungsstörungen und mehreren Tuberkulosefällen. Und natürlich von jungen Männern wie es sie in Deutschland gibt, die darauf bestehen ihre vergleichsweise harmlose Erkältung mit Antibiotika behandeln zu lassen.
Als Geistes- und Gesellschaftswissenschaftsstudenten fehlen Luca und Doro praktische Fähigkeiten, die so dringend benötigst werden wie medizinisches Fachwissen. Dennoch kommen auch wir schnell unter und verbringen unsere Tage mit Gemüse schnibbeln, Essenspakete packen und verteilen, Tee kochen und mit Kinder spielen. Am wertvollsten werden für uns aber bald die Stunden, in denen wir uns alleine durchs Lager treiben lassen, hier und dort mit Menschen ins Gespräch kommen, uns von ihrem Leben Zuhause, von der Flucht und vom Alltag hier im Camp erzählen lassen.
Die Menschen im Camp sind so verschieden wie Menschen nur sein können. Jung und Alt, Gesund und Krank, alleine oder in Großfamilien. Dazwischen überall Kinder, jede Menge Kinder. Auch alle gesellschaftlichen Schichten sind vertreten. Wir treffen eine schwangere Frau, eine Englischlehrerin aus Mosul, die mit Mann und Tochter unterwegs ist. Einen kleinen Jungen mit vom Krieg entstelltem Gesicht. Eine Gruppe junger Männer Anfang zwanzig. Sie studierten Tourismus, Kunst und Wirtschaft bevor sie sich gemeinsam auf den Weg machten. Einer von ihnen saß vier Jahre im Assad-Gefängnis, weil er für Freiheit protestierte. Ein Mann spricht uns in fließendem Deutsch an. Bis 2005 war er elf Jahre in Dresden und hat dort studiert, Chemie. Er hatte eine Aufenthaltsgenehmigung aber er wollte zurück in seine Heimat. Nun wohnt er mit seiner Frau und seinen zweijährigen Zwillingstöchtern zusammen mit der Familie der Englischlehrerin in einem leeren Containerabteil eines Zuges.
Zweimal besuchen wir zwei Schwestern Anfang 40, beide von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet. Eine von ihnen hat drei Kinder dabei, einen Sohn und zwei Töchter. Außerdem, erzählt uns die älter Tochter in gebrochenem Englisch, haben sie ihre Katze den ganzen Weg aus Syrien mitgebracht, sogar übers Meer. Es wird Kaffee aufgesetzt. Wir fragen nach ihrem Vater. Tot, im Krieg, erklärt sie. Wir getrauen uns nicht nach der Familie ihrer Tante zu fragen, von der mit keinem Wort die Rede ist. Aber wir sind tief berührt von der Offenheit der vier Frauen uns gegenüber und von dem zarten, unendlich achtsamen Umgang untereinander. Als seien sie alle, was sie noch haben, und sind sich dessen sehr bewusst.
Oft zeigen uns die Menschen Bilder auf dem Handy von vergangenen Tagen. Vor der Universität, ein Gruppenbild mit Freunden, ein Familienfest, ein mit arabischen Köstlichkeiten gedeckter Tisch. Schau, dass ist der Mensch, der ich eigentlich bin. Der ich jetzt noch wäre, wenn nicht der Krieg gekommen wäre, wenn wir uns nicht auf den Weg gemacht hätten, wenn wir jetzt nicht hier sitzen würden mit nichts als unseren Kleidern am Leib.
Sie alle können einem auf den Tag genau sagen, wie lange sie schon hier sind. Sie alle fragen in einer Mischung aus Hoffnung und Angst in der Stimme uns, die Deutschen, die es ja wissen müssen: „Glaubst du die Grenze geht wieder auf?“ Jeden Tag gehen neue Gerüchte durchs Lager über die Grenzöffnung, die kurz bevor steht, über einen Zug, den Merkel morgen schickt um alle abzuholen, vom Flugzeug, dass jeden Tag 200 Menschen nach Deutschland bringen würde. Natürlich sind wir der Meinung, dass wir die Wahrheit sagen müssen. Es ist ein einfacher Satz: „Nein, ich glaube nicht, dass die Grenze wieder auf geht.“ Aber selten ist es uns so schwer gefallen, so wenig wahre Worte auszusprechen. Eines ums andere Mal zögern wir, drucksen herum, weichen den Blicken aus. „Naja, ich weiß es nicht, ich weiß nicht was passiert. Aber, wenn ich ehrlich bin, nun ich denke nicht. Nein, ich denke sie wird nicht wieder aufgehen.“ Es ist als überbrächte man Nachrichten von einem verschwundenen Verwandten. Noch hoffen sie auf ein gutes Ende, auch wenn die Zeichen dagegen sprechen. Angst und Hoffnung kämpfen in ihren Augen. Sie erwarten die Erlösung von unseren Worten aber die Erlösung kommt nicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man, und man möchte hinzufügen: Sie stirbt verdammt langsam, aber sie stirbt.
Wenn wir im Vor- und Nachhinein über unsere Reise sprachen, dann kam es vor, dass Menschen sich bei uns bedankten, dafür, dass wir hin gefahren sind. Uns hat das zunächst verwundert und zum Nachdenken gebracht. Wir haben diese Reise nicht nur für diese Menschen getan. Aber für wen haben wir sie getan? Und wofür genau bedanken sie sich bei uns?
Wir wollten zunächst einmal verstehen. Wir wollten verstehen was es heißt angespült zu sein, an eine Grenze. Was es heißt, dass mitten in Europa tausende Menschen auf dem nackten Boden schlafen. Bei Regen im Schlamm versinken und bei Sonne unter einer blauen Plastikplane Abkühlung suchen. Keine ausreichenden Medikamente, stundenlanges Warten vor Essensausgaben, überhaupt keine Privatsphäre, keine Perspektiven. Wir wollten diese Existentialität begreifen, vor der wir unser Leben lang behütet waren.
Man mag sich darüber streiten können, aber für uns entspringt diesem Verschondsein durchaus eine gewisse Pflicht gegenüber der Welt. Wie gehen wir mit dieser um? Welche Konsequenzen ziehen wir daraus für unser Leben? Was ist ein passendes Maß?
Sicherlich nicht dasjenige, bei dem man seine Privilegien komplett aufgibt, seinen Ausweis verbrennt und sein Zelt neben das der Menschen in Idomeni stellt. Wahrscheinlich auch nicht indem man zwei Wochen seiner freien Zeit dort verbringt und versucht, den Menschen für kurze Zeit ein klein wenig helfen zu können. Vielleicht gibt es auch kein passendes Maß.
Aber was uns dennoch geradezu nach Idomeni zog war ein Bedürfnis nach Augenzeugenschaft. Gewiss, Augenzeugenschaft ist schwer vom Voyeurismus zu unterscheiden. Und der Vorwurf liegt nahe: Damit ist niemandem geholfen. Aber aus der Anteilnahme, dem Vertrauen und der Unterstützung, die uns fremde Menschen im Vorfeld unserer Reise entgegen gebracht haben, schließen wir, dass es außer uns selbst doch all denen geholfen hat, die von hier aus in Gedanken mit uns gereist sind. Es hilft, eine persönliche Verbindung aufbauen zu können zu den Geschehnissen vor Ort, Anteil zu nehmen, tätig werden zu können, etwas beizutragen. Es hilft gegen die Abstumpfung ob der Aussichtslosigkeit die unweigerlich aufkommt beim betrachten der Bilder, die uns Tag für Tag über die Medien erreichen.
Die große Unterstützung, die wir erfahren haben, spricht für das Bedürfnis unglaublich vieler Menschen, diese Dinge näher an sich heran zu holen, als es sein müsste. Verstehen zu wollen, obwohl man auch weg schauen könnte. Anteil zu nehmen, obwohl man sagen könnte: Was ist das mein Problem? Und wir glauben, dass es einen Unterschied macht, wie viele Menschen hinsehen und verstehen wollen, wie viele einen persönlichen Bezug aufbauen und die Medienberichte so mit anderen Augen sehen können. Es macht einen Unterschied für uns hier in Deutschland, wie wir einander begegnen und den Menschen, die neu hier her gekommen sind, wie wir uns verhalten gegenüber rechtspopulistischen Ansichten in der Gesellschaft und vielleicht sogar in unserem Bekanntenkreis. Und nicht zuletzt macht es auch einen Unterschied für die Menschen in den Lagern in Idomeni die wissen: Wenn auch die Politik sich taub stellt, es gibt doch Menschen die sich interessieren.
Es hat uns sehr berührt, eine Brücke für diese Annäherung zwischen den Menschen in Idomeni und all den Menschen hier in Deutschland sein zu dürfen, die uns auf so vielfältige Weise unterstützten und uns ein solches Vertrauen entgegen brachten. Wir geben das Danke also von Herzen zurück.
Die Sachspenden haben wir wie berichtet in einer Zentralen Sammelstelle abgegeben, wo sie dankbar begrüßt wurden. Von hier aus holen Freiwillige täglich die Dinge ab, die akut im Lager gebraucht werden und sorgen so für eine effektive Verteilung. Die Geldspenden haben wir zum Teil einer Gruppe gegeben, die jeden Tag mehrere Tausend Orangen an die Kinder im Lager verteilt und somit einen Beitrag leistet gegen die Mangelernährung. Von dem anderen Teil wurde in großem Maßstab Sonnenmilch eingekauft, damit die Menschen weniger der Unbarmherzigkeit des Wetters ausgeliefert sind.
Luca, Doro und Luka